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Strauss-Jahr 2025: „Cagliostro“ zieht in den Zirkus Roncalli ein

Strauss-Jahr 2025: „Cagliostro“ zieht in den Zirkus Roncalli ein

Operette in der Manege: Wien feiert Strauss mit „Cagliostro“

Operette im Zirkuszelt? Genau das plant Wien im Strauss-Jahr 2025. Zum 200. Geburtstag von Johann Strauss wird „Cagliostro in Wien“ als Zirkus-Operette neu gedacht – mitten im Circus-Theater Roncalli am Heumarkt. Vom 10. bis 28. September 2025 laufen täglich zwei Vorstellungen um 15:00 und 19:30 Uhr. Die Idee: Strauss’ Ohrwürmer treffen auf poetische Akrobatik, Clownerie und die intime Atmosphäre eines historischen Zirkuszelts.

Initiator ist die Kooperation „Johann Strauss 2025 Wien“ mit dem renommierten Circus-Theater Roncalli. Das Projekt soll der zentrale Herbstmagnet für Stadt und Besucherinnen werden – ein bewusstes Signal nach einem starken Sommer, in dem die Innenstadt-Hotels laut Veranstaltern über 80 Prozent ausgelastet waren. In Wien gehört Strauss zur DNA. Umso auffälliger, dass man sich ausgerechnet eine seiner seltener gespielten Operetten vornimmt: „Cagliostro in Wien“, uraufgeführt 1875. Der Stoff ist bunt, verspielt, und genau dafür ist Roncalli die passende Bühne.

Beststeller-Autor Thomas Brezina hat die Vorlage zur familienfreundlichen Zirkus-Operette adaptiert. Brezina kennt man in Österreich für klare Geschichten, Tempo und Humor – Qualitäten, die dem oft verstaubten Image der Operette neuen Schwung geben können. Seine Fassung bündelt Themen, die erstaunlich zeitlos wirken: heimliche Wünsche, Betrug, Leichtgläubigkeit und die Jagd nach dem großen Glück.

Die Handlung spielt in Madame Sophies Zirkus, der auf den Auftritt des berühmten Magiers Cagliostro und der Sängerin Laurenza wartet. Während Sophie mit dem Gedanken kämpft, den Zirkus zu verkaufen, hat ihr Sohn Severin große Pläne, ihn zu übernehmen. Dann taucht Cagliostro auf – charismatisch, geheimnisvoll, mit dem Talent, Menschen zu verzaubern. Sein Erscheinen setzt die Dinge in Bewegung und stellt das Schicksal der Truppe auf den Kopf.

Team, Besetzung und was das Publikum erwartet

Für die musikalische Einrichtung zeichnet Johnny Bertl verantwortlich, die Regie führt Michael Schachermaier. Bühnenbild: Dominique Wiesbauer, Choreografie: Daniela Mühlbauer. Das künstlerische Konzept ist klar: keine bloße Operette mit Artistik als Beilage, sondern ein echtes Miteinander aus Musiktheater und Zirkus. Die Szenen sind so gebaut, dass Gesang, Spiel und Akrobatik ineinandergreifen.

Die Besetzung verbindet Musiktheater- und Show-Erfahrung. Auf der Bühne stehen Thomas Borchart (Cagliostro), Josef Ellers (Severin), Sophia Gorgi (Emilia), Katharina Gorgi (Lady Laurenza), Eva Maria Marold (Madame Sophie) und Andreas Lichtenberger (Herr Gustav). Sie tragen die Gesangspartien und das Schauspiel – unterstützt von einer Live-Zirkusband, die den Strauss-Sound mit dem typischen Roncalli-Klang verbindet. Das Ziel ist ein leichter, warm klingender Mix aus Operetten-Glanz und Manege-Drive.

Herzstück sind die Roncalli-Artisten, die die Musik körperlich übersetzen. Das Programm umfasst:

  • Duo Unity am Cyr-Rad: große Kreise, präzise Balance und eine Choreografie, die den Walzerrhythmus aufnimmt.
  • Ludwig Navratil mit horizontalem Jonglieren: Tempo, Timing, Punktlandungen – ein visuelles Echo auf die prickelnden Polka-Momente.
  • Svetlana an der Luftkugel: leise, schwebende Bilder, die die lyrischen Passagen unterstreichen.
  • Duo Vanegas auf dem „Wheel of Death“: Adrenalin pur, passend zu dramatischen Wendepunkten der Geschichte.
  • Tanguy am Schleuderbrett: schnelle Hebefiguren und Humor – ideal für die komischen Szenen.

Dazu kommen die Clowns Reini G Moritz, Clemens Matzka und Oriol Boixander. Sie fangen das Publikum zwischen den großen Nummern ab, lösen Spannungen, setzen Kontrapunkte. In der Operette hat das Spiel mit dem Lachen Tradition – hier wird es in die Sprache des Zirkus übersetzt.

Warum „Cagliostro“? Strauss’ Hits wie „Die Fledermaus“ oder „Der Zigeunerbaron“ sind Dauergäste im Repertoire, „Cagliostro in Wien“ dagegen sieht man selten. Dass ausgerechnet dieses Werk eine Neuauflage bekommt, ist ein Statement: Man wagt das Überraschende. Die Figur des Cagliostro – ein historischer Scharlatan und Wunderdoktor des 18. Jahrhunderts – liefert dafür die perfekte Projektionsfläche. Er erzählt von Täuschung und Sehnsucht, vom Glanz der Versprechen und der Frage, wem wir glauben wollen. Genau diese Themen lassen sich im Zirkus, wo Illusion zur Kunstform gehört, pointiert erzählen.

Aus technischer Sicht bringt ein Zirkuszelt eigene Herausforderungen. Akustik, Sichtachsen, Sicherheit – all das muss stimmen. Die Macher setzen auf eine kompakte Besetzung, klare Klangführung und choreografierte Übergänge. Der Vorteil: Das Publikum sitzt nah dran. Diese Unmittelbarkeit passt zur Operette, die vom direkten Kontakt lebt. Die Arien und Duette stehen nicht auf einer fernen Guckkastenbühne, sondern im Rund, wo jeder Blick zählt.

Die Tagesstruktur mit zwei Shows ist auf Familien zugeschnitten und touristisch sinnvoll. Wer Wien im September besucht, bekommt neben Museen und Konzerten ein Format, das man sonst kaum findet. Laut den Planern soll das Projekt sowohl Wienerinnen und Wiener als auch Gäste aus dem Ausland ansprechen – Menschen, die Strauss lieben, aber auch jene, die mit Operette bisher wenig anfangen konnten.

Hinter der Bühne arbeiten Team und Artisten über Genregrenzen hinweg. Die Regie führt Sängerinnen, Schauspieler und Akrobatinnen zusammen, achtet auf Atem und Timing. Wenn eine Luftnummer steigt, darf die Musik nicht bloß Hintergrund sein; sie muss die Bewegung tragen. Umgekehrt braucht ein Ensemble seine eigenen Momente, in denen die Manege zur Bühne für Text und Haltung wird. Dieses Wechselspiel ist der Kern des Abends.

Roncalli selbst steht seit Jahren für einen poetischen, nostalgischen Zirkusstil. Statt grellem Spektakel: Handwerk, Humor, feine Bilder. Diese Ästhetik könnte „Cagliostro“ gut tun. Strauss braucht kein Dauerfeuer an Effekten – er braucht Phrasen, die atmen, und Szenen, die leuchten. Wenn das gelingt, entsteht etwas, das die Grenzen zwischen Hochkultur und Populärkunst nicht nur verwischt, sondern neu sortiert.

Für Wien ist die Uraufführung in der Roncalli-Variante mehr als ein Festivalpunkt. Sie ist ein Test: Kann Operette, klug gemischt mit Zirkus, neue Zuschauergruppen binden? Die Zutaten sprechen dafür. Ein zugänglicher Stoff, eine klare Geschichte, starke Bilder, bekannte Musik. Und eine Stadt, die weiß, wie man Kultur zur Einladung macht.

Die Termine stehen, der Ort auch. Heumarkt, Zelt, Stühle, Manege. Draußen spätsommerliche Luft, drinnen Walzer und waghalsige Bögen. „Cagliostro“ als Zirkus-Operette setzt auf genau diesen Kontrast. Wer Strauss in Bewegung sehen will, bekommt hier die Chance – täglich um drei und halb acht.

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